Mit dem angefochtenen Urteil des Erstgerichtes wurde eine Mutter schuldig erkannt, gegenüber ihren Kindern die Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 erster Fall und Abs 4 vierter Fall StGB wegen der unten zu A. genannten Taten und der Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB wegen der unten zu B. genannten Taten begangen zu haben.
A.: Die Angeklagte hatte von Juni 2009 bis April 2011
1. „gegen unmündige Personen, eine längere, ein Jahr übersteigende Zeit hindurch, fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar
gegen den die im Tatzeitpunkt neun- und fünf-jährigen Kinder zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten wiederholt, indem sie auf diesen mit der Hand, der Suppenkelle oder dem Kochlöffel einschlug und ihn so am Körper misshandelte;
gegen die sieben-jährige Tochter zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten jedoch jeweils wiederholt, indem sie an den Haaren riss und auf sie mit der Hand, der Suppenkelle und mit dem Kochlöffel einschlug und die Genannte auf diese Weise am Körper misshandelte, wobei diese häufig auch Verletzungen in Form von Hämatomen erlitt, weiters die unmündigen Geschwister der Genannten aufforderte, sie zu schlagen, die Genannte zudem an der Hand erfasste, zum Fenster zog und ihr in der Absicht, sie in Furcht und Unruhe aus Angst vor zumindest einer Körperverletzung zu versetzen, drohte, sie beim Fenster hinauszuwerfen;
2. anderen, die ihrer Fürsorge oder Obhut unterstanden und das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, seelische Qualen zugefügt, und zwar:
dem Neunjährigen zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten, jedoch jeweils wiederholt, indem sie diesen mit Schimpfwörtern wie ‚Missgeburt‘, ‚Trottel‘, ‚Arschloch‘ und Ähnliches beschimpfte, ihn aufforderte, gemeinsam mit der Schwester Michelle die Schwester Jaqueline zu schlagen, und, wenn sie dieser Aufforderung nachkamen, diesen Vorgang filmte, weiters vor seinen Augen die Schwester Jaqueline zum Fenster zog und drohte, diese hinauszuwerfen und indem sie diesen zumindest einmal monatlich in seinem Zimmer einsperrte;
der am Fünfjährigen zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten, jedoch jeweils wiederholt, indem sie diese mit Schimpfwörtern wie ‚Missgeburt‘, ‚Trottel‘, ‚Arschloch‘ und Ähnliches beschimpfte, sie aufforderte, gemeinsam mit dem Bruder Marcel die Schwester Jaqueline zu schlagen, und, wenn sie dieser Aufforderung nachkamen, diesen Vorgang filmte, sowie vor ihren Augen die Schwester Jaqueline zum Fenster zog und drohte, diese hinauszuwerfen;
der Siebenjährigen zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten, jedoch jeweils wiederholt, indem sie diese mit Schimpfwörtern wie ‚Missgeburt‘, ‚Trottel‘, ‚Arschloch‘ und Ähnliches beschimpfte, filmte, wie die Genannten über ihre Aufforderungen von den Geschwistern Marcel und Michelle geschlagen wurde, ihr Essen scharf mit Chilli würzte, ihr das Essen in den Mund steckte, der Genannten sagte, dass sie sie hasse und weiters die Genannte wiederholt bei kühlen Außentemperaturen in leichter Bekleidung auf den Balkon schubste und aussperrte.“
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Verteidigung der Angeklagten erkannte der OGH im Wesentlichen:
Gemäß § 107b Abs 2 StGB übt Gewalt im Sinn des § 107b Abs 1 StGB aus, wer eine andere Person am Körper misshandelt (erster Fall) oder vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach §§ 107a, 108 und 110 StGB begeht (zweiter Fall). Mangels darüber hinausgehender Einschränkungen zählt somit auch § 92 StGB zu diesen Anknüpfungsdelikten, und zwar unabhängig davon, ob die Zufügung körperlicher oder seelischer Qualen in Rede steht.
Anknüpfungsdelikte, die nicht von der Subsidiaritätsklausel des § 107b Abs 5 StGB umfasst sind, werden ihrerseits grundsätzlich vom jeweiligen Tatbestand des § 107b StGB verdrängt (Spezialität), es sei denn, der Täter setzt, neben den von § 107b StGB umfassten, weitere Taten, die zwar einem der in § 107b Abs 2 zweiter Fall StGB bezeichneten Anknüpfungstatbestände zu unterstellen sind, handelt dabei aber nicht mit dem, § 107b Abs 1 StGB entsprechenden, Vorsatz, längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt auszuüben. Nur diesfalls konkurriert der jeweils verwirklichte Tatbestand echt mit § 107b StGB.
Vorliegend hat die Angeklagte nach den wesentlichen Urteilsannahmen im Tatzeitraum 01.06.2009 bis 17.04.2011 nicht nur durch einmal wöchentlich erfolgte körperliche Misshandlungen (§ 107b Abs 2 erster Fall StGB), hinsichtlich der Siebenjährigen auch durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper (§ 107b Abs 2 zweiter Fall iVm § 107 Abs 1 StGB), sondern auch durch die wiederholte Zufügung seelischer Qualen im Sinn des § 92 Abs 1 StGB fortgesetzt Gewalt gegen die drei Tatopfer ausgeübt, wobei die Feststellungen zur subjektiven Tatseite deutlich genug zum Ausdruck bringen, dass ihr Vorsatz auch insoweit auf fortgesetzte Tatbegehung über einen mehr als einjährigen Zeitraum gerichtet war.