Widerstand gegen die Staatsgewalt – Freispruch
Widerstand gegen die Staatsgewalt – Freispruch: Bei diesen Delikten ist ein Freispruch im Grunde unmöglich. Spezielle Konstellationen machen dies jedoch möglich. Davon soll hier berichtet werden. Und auch, dass mediale Darstellungen nicht immer stimmen müssen.
Der konkrete Fall in den Medien
https://kurier.at/chronik/wien/identitaeren-demo-zog-durch-wien-polizei-angegriffen/402540293
Das Delikt
Die Anklage
Der Angeklagte hat in Wien
I./ einen Beamten, und zwar den Polizeibeamten X mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich dem Einschreiten im Zuge einer Demonstration, zu hindern versucht (§ 15 StGB), indem er mit einer Glasflasche in dessen Richtung schlug, wodurch diese zerbrach;
II./ einen Polizeibeamten, und zwar X, während der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten, nämlich der zu I./ angeführten Amtshandlung, durch die unter I./ gesetzte Tathandlung am Körper verletzt, wodurch dieser Verletzungen im Kinnbereich und am linken Knie erlitt;
III./ durch die unter I./ gesetzte Tathandlung fremde bewegliche Sachen, nämlich die Einsatzhose des X durch einen Schnitt mit den Glassplittern beschädigt.
Der Angeklagte hat hierdurch zu
I./ das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB;
II./ das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB
III./ das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB
begangen und wird hiefür unter Anwendung des § 28 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB zu bestrafen sein.
Der Prozess – die Hauptverhandlung
Der Angeklagte bekannte sich zu keinem Anklagepunkt schuldig.
Der Akt enthielt zwei Videos, die den Tumult zeigen sollten. Weiter enthielt der Akt mehrere, umfassende Polizeiberichte und die Aussagen des Angeklagten. Dem auf Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt beziehungsweise Verteidiger in Strafsachen erschienen diese plausibel. Deshalb bekannte sich der Angeklagte nicht schuldig.
Dennoch sind Freisprüche bei der Anklage des Widerstandes gegen die Staatsgewalt de facto fast unmöglich: Regelmäßig glauben die Gerichte den Ausführungen der Polizeibeamten. Und diese widersprechen im Regelfall den Ausführungen der Angeklagten.
Im konkreten Fall stand auch die mediale Berichterstattung, die im Akt erwähnt wurde, der leugnenden, nicht geständigen, Verantwortung des Angeklagten entgegen.
Daher war bereits vorhersehbar, dass der entscheidende Punkt im Verfahren die Aussage des verletzten Polizisten sein würde.
Der Angeklagte verantwortete sich, indem er faktisch sämtliche Vorwürfe, wie sie in der Anklage (Strafantrag) erhoben wurden, gestand, jedoch behauptete, nicht gewusst zu haben, dass es sich um einen Polizisten gehandelt hatte, dem er eine Flasche ins Gesicht schlug.
Dazu muss der genaue Sachverhalt gekannt werden:
Sachverhalt
Der Angeklagte nahm an einer Demonstration teil, die durch den ersten Gemeindebezirk Wiens führte. Diese Demonstration verlief friedlich und diszipliniert.
Als Gegendemonstration erschien die linksextreme Antifa. Diese versuchte, die angemeldete und friedliche „rechte“ Demonstration zu stören. Dazu wurden unter anderem Sitzblockaden in der Herrengasse abgehalten, während die „rechte“ Demonstration auf die Freyung zog um die Schlusskundgebung abzuhalten.
„Gegendemonstration“
Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, die linksextreme Antifa von den „rechten“ Demonstrationsteilnehmern fern zu halten. Das Polizeikontingent, das sogar von Spezialkräften der WEGA unterstützt wurde, konnte nicht immer rechtzeitig an allen Orten sein, an denen die Antifa für Radau sorgte.
Mitglieder der Antifa drangen von der Herrengasse durch einen der Durchgänge des Palais Harrach in Richtung Freyung vor. Als die Mitglieder der Antifa unmittelbar vor dem Ausgang des Durchgangs zur Freyung kamen, wo sie auf viele Demonstrationsteilnehmer der „rechten“ Demonstration gestoßen wären, fassten eine Handvoll „rechte“ Demonstranten, darunter der Angeklagte, den Entschluss, sich den Linksextremen entgegenzustellen und den „Durchbruch“ zu stoppen. Dies gelang.
Aussage des Angeklagten
In dem Moment kam jedoch bereits die dafür vorgesehene Polizei, auch mit WEGA-Kräften, am Durchgang an und versuchte eine Konfrontation zwischen den Gruppen zu verhindern.
Dabei packte einer der Polizisten den Angeklagten von hinten und versuchte ihn aus dem Durchgang zu zerren. Der Angeklagte sagte aus, er habe nicht gewusst, von einem Polizisten gepackt worden zu sein. Vielmehr dachte er in der Stresssituation, in einen Hinterhalt der Antifa geraten und von einem deren Mitglieder angegriffen worden zu sein.
Deshalb drehte er sich ruckartig um, hatte dabei eine Glasflasche in der Hand, mit der er unabsichtlich das Gesicht des Polizisten traf. Die Glasflasche zerbrach. Als der Angeklagte realisierte, dass ein Polizist ihn packte, hob er sofort die Arme um zu signalisieren, dass von ihm keine Gewalt gegenüber der Polizei zu erwarten ist. Dabei kam es zu jenem Gerangel, das auf den Videos und im oben genannten Beitrag zu sehen ist.
Plädoyer
Der Strafverteidiger plädierte daher bereits zu Beginn der Verhandlung auf einen Freispruch zu allen Anklagepunkten. Eine Handlung gegen einen Polizisten, bei der der Polizist als solcher nicht erkennbar ist (im konkreten Fall hätte es zumindest eines Zurufes „Polizei“ bedurft), ist kein Widerstand gegen die Staatsgewalt. In weiterer Folge ist die Verletzung des Polizisten, die kraft Gesetzes eine schwere Körperverletzung ist, auch wenn sie bloß eine an sich leichte Verletzung ist, nicht zu bestrafen. Der Angeklagte beging sie aufgrund von Putativnotwehr fahrlässig. Die angeklagte Sachbeschädigung kann überhaupt nicht fahrlässig begangen werden.
Aussage des Zeugen
Der als Zeuge vernommene Polizist bestätigte sämtliche Angaben des Angeklagten. Er präzisierte auf mehrfaches, genaues Nachfragen durch den Verteidiger, dass er oder ein anderer Polizist in der konkreten Situation nicht „Polizei“ riefen. Der Angeklagte drehte sich im „Reflex“ um und setzte wohl auch die Flasche nicht zum Schlag ein. Er sagte auch, dass „rechten“ Demonstrationsteilnehmer üblicherweise keine Gewalt gegen die Polizei üben.
Richtigerweise war daher mit Freispruch vorzugehen.
Widerstand gegen die Staatsgewalt
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