Suchtgift: Nur 4 Monate statt bis zu 15 Jahre Gefängnis
Suchtgift: Nur 4 Monate statt bis zu 15 Jahre Gefängnis: Kiloweiser Drogenhandel mit Marihuana, Haschisch, Heroin, Kokain, Substitol, Compensan.
Das Suchtmittelstrafrecht ist hoch komplex, aber genauso interessant: www.ris.bka.gv.at
Der konkrete Fall
In ihrer Anklageschrift warf die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten eine Vielzahl an strafbaren Handlungen vor:
Der Angeklagte habe
Überlassen
I./ Suchtgift, und zwar
A./ Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von zumindest 0,75 % Delta-9-THC und 9,86 % THCA), Heroin (mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von zumindest 0,5 % Codein, 0,3 % Monoacetylmorphin und 9,7 % Diacetylmorphin), Kokain (mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 75,14 % Cocain), Substitol à 200mg (enthaltend Morphinsulfatpentahydrat), Compensan à 200mg (enthaltend Morphinhydrochlorid-Trihydrat), und Praxiten (enthaltend den Wirkstoff Oxazepam), anderen seit dem Jahr 2018 bis Oktober 2023 in einer Vielzahl von Angriffen in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge überlassen.
Insgesamt überließ der Angeklagte an 15 Personen zirka 4.700 Gramm Cannabiskraut, 250 Gramm Heroin, 147 Stück Compensan, 20 Stück Praxiten, 121 Stück Substitol und Kokain.
Erzeugt
B./ zumindest 4.705,1 Gramm Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von zumindest 0,75 % Delta-9-THC und 9,86 % THCA), mithin in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, zu noch festzustellenden Zeitpunkten erzeugt;
Besessen
20 Gramm Heroin (enthaltend Codein, Monoacetylmorphin und Diacetylmorphin), sowie 28,1 Gramm Cannabiskraut (enthaltend Delta-9-THC und THCA), am Tag der Festnahme besessen.
Anbau
II./ Bis zur Festnahme sieben Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung angebaut.
Subsumtion
Der Angeklagte hat hiedurch
zu I./A./ das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und
zu I./B./ das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG und
zu I./ C./ das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG und
zu II./ das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 SMG
begangen und ist hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu bestrafen.
Strafdrohung
Gemäß der zuletzt zitierten Gesetzesstelle sieht der gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von mindestens einem bis zu 15 Jahren vor.
Hauptverhandlung
Der Gesetzgeber sieht aufgrund der Strafdrohung in solchen Fällen vor, dass ein Schöffengericht (ein Berufsrichter und zwei Laienrichter) zu entscheiden haben.
Der Angeklagte befand sich bereits seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft. Das Gericht nahm Tatbegehungsgefahr an. Das ist die Gefahr, dass der Angeklagte auf freiem Fuß weiterhin dieses strafbare Verhalten fortsetzen könnte. Im konkreten Fall: Suchtgift an andere überlassen könnte.
Der Angeklagte war vernünftig und verweigerte die Aussage. Im nächsten Schritt wurde ein auf Strafrecht spezialisierter Rechtsanwalt (Verteidiger in Strafsachen) engagiert. Dieser bereitete sich und den Angeklagten penibel auf die Hauptverhandlung vor. Wie wichtig die Wahl eines Spezialisten ist sehen Sie bereits hier: https://rechtsanwalt-strobl.at/2020/10/07/heroin-und-kokain-handel-anwalt-sinnvoll/
Da der Angeklagte weitgehend geständig war, was sein Verteidiger in einem vorbereitenden Schriftsatz zur Kenntnis brachte, konnte das Gericht auf die Ladung aller beantragten Zeugen verzichten. Die wenigen, geladenen Zeugen waren jedoch von großer Wichtigkeit.
Unmittelbarkeit
Durch ihre Vernehmung sollte herausgearbeitet werden, wie es zu den, zum Teil enorm divergierenden Aussagen zwischen ihnen und dem Angeklagten, kam. Dabei trat zu Tage, dass die Zeugen bei der Vernehmung durch die Polizei erheblich überfordert waren. Dies insbesondere deshalb, da die Polizei den Zeugen Chat-Protokolle vorlegte. Diese Protokolle studierten die Zeugen jedoch offensichtlich nicht in der kurzen Zeit der Vernehmung und nicht in der Stresssituation der Vernehmung. Auch analysierten sie diese Chat-Protokolle nicht. So erforschte das Gericht, dass die Angaben eines Zeugen nicht mit den Inhalten der Chat-Protokolle übereinstimmten. Bei dessen Vernehmung berief er sich jedoch auf diese Chat-Protokolle und gab an, dass der Angeklagte an ihn erhebliche Mengen überlassen hätte.
Wie dadurch eben gezeigt wurde, ist der im österreichischen Strafprozess so fundamentale Grundsatz der „Unmittelbarkeit“ von praktisch enormer Bedeutung.
Das Gericht traf daher gänzlich andere Feststellungen zu den behaupteten Straftaten. Es nahm wesentlich geringere Mengen an überlassenem Suchtgift an. Diese Feststellungen traf das Gericht auch aufgrund der glaubwürdigen, geständigen Verantwortung des Angeklagten.
Urteil
Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu eienr Freihhetsstrafe in der Dauer von 16 Monaten, davon vier Monate unbedingt. Der Angeklagte konnte eine knappe Stunde nach Ende der Hauptverhandlung das Gefängnis verlassen.