Ehebruch, sexuelle Untreue und Unterhaltsverwirkung: OGH 24.08.2012, 2 Ob 141/10i
Grundsätzliches: Zerrüttet ein Eheteil schuldhaft die Ehe, so ist eine erst nach Zerrüttung vom anderen Teil aufgenommene sexuelle Beziehung keine derart krasse Eheverfehlung, die ihren Unterhaltsanspruch als rechtsmissbräuchlich verwirkte.
Ein in weiterer Vergangenheit zurückliegender Ehebruch der Unterhaltsklägerin lässt ihr Unterhaltsbegehren dann nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen, wenn der Unterhaltsbeklagte nicht behauptet und beweist, dass das ehebrecherische Verhältnis noch aufrecht ist, vor kurzem erst beendet worden ist bzw Anlass für die Auflösung des gemeinsamen Haushaltes war.
Im konkreten Fall beschäftigte sich der OGH zu AZ 2 Ob 141/10i mit der Frage, ob der Unterhaltsanspruch der Ehegattin verwirkt wurde, weil diese eine sexuelle Beziehung zu einem anderen als zu ihrem Ehemann aufnahm, nachdem die Ehe bereits zerrüttet war und hielt fest:
Gemäß § 94 Abs 2 ABGB hat der den gemeinsamen Haushalt führende Ehegatte gegen den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zu Gunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre.
Der Ehebruch und das „fortgesetzte sexuelle Liebesverhältnis“ stellen zwar ungeachtet eines bereits anhängigen Scheidungsverfahrens grundsätzlich derart schwerwiegende Verletzungen der ehelichen Verhaltenspflichten dar, dass der Unterhaltsanspruch des ehebrecherischen Ehegatten als verwirkt angesehen werden muss. Schon nach der Rechtsprechung vor dem EheRÄG 1999 lässt aber ein in weiterer Vergangenheit liegender Ehebruch der Unterhaltsklägerin ihr Unterhaltsbegehren dann nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen, wenn der Unterhaltsbeklagte nicht behauptet und beweist, dass das ehebrecherische Verhältnis noch aufrecht ist, vor kurzem erst beendet worden ist bzw Anlass für die Auflösung des gemeinsamen Haushalts war. Zerrüttet ein Eheteil schuldhaft die Ehe, so ist eine erst nach Zerrüttung vom anderen Teil aufgenommene sexuelle Beziehung keine derart krasse Eheverfehlung, die ihren Unterhaltsanspruch als rechtsmissbräuchlich verwirkte.
Mit dem EheRÄG 1999 hat der Ehebruch seinen Charakter als absoluter Scheidungsgrund verloren. Er muss nunmehr zerrüttende Wirkung haben, um ein tauglicher Scheidungsgrund zu sein; bei der Verschuldensabwägung im Scheidungsverfahren kommt ihm nicht in jedem Fall höheres Gewicht zu als anderen Eheverfehlungen – es gelten die allgemeinen Grundsätze. Mit dem Hinweis auf die geänderte Rechtslage wurde im Schrifttum mehrfach betont, dass auch die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs – um Wertungswidersprüche zu vermeiden – nur auf einen Ehebruch gestützt werden könne, der zur Ehezerrüttung zumindest beigetragen hat
Im Licht der zitierten Rechtsprechung und Lehre hat die Klägerin mit der festgestellten kurzen sexuellen Beziehung zu einem anderen Mann ihren Unterhaltsanspruch nicht verwirkt, zumal vom Beklagten nicht behauptet und von den Vorinstanzen auch nicht festgestellt wurde, dass sich diese Affäre ehezerrüttend ausgewirkt hätte. Vielmehr hatten sich die Ehegatten damals bereits längst getrennt.
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