Der Angeklagte stand im Verdacht, er habe als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch eine Stadt am Kontrollrecht des Gemeinderates sowie am Recht der Stadt auf ordentliche Gebarung sowie auf ordentliche Kontrolle der Kassengebarung sowie den Bund am Strafverfolgungsrecht zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Stadt, sohin eines Gemeindeverbandes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen wissentlich missbraucht, indem er in Kenntnis von Veruntreuungen von Geldern bei der Gebarung es unterließ, entgegen der Bestimmung, seinem Vorgesetzten und entgegen der Dienstanweisung, seinem Vorgesetzten insbesondere der Magistratsdirektion und der Magistratsabteilung darüber Meldung zu erstatten und in Kenntnis von Veruntreuungen durch eine Kassiererin, es unterließ entgegen der Bestimmungen des Beamtengesetzes, seinem Vorgesetzten und entgegen der Dienstanweisung, seinem Vorgesetzten insbesondere der Dienststelle Präsidium und der Finanzdirektion darüber Meldung zu erstatten.
Zur Erklärung:
Die Stadt betreibt einen Freizeitbereich, der dem Angeklagten als Leiter unterstellt war. Eine vertragsbedienstete war als Kassiererin für den Eintritt zuständig gewesen. Die Einzahlungsbelege wurden „üblicherweise“ auch vom angeklagten Abteilungsleiter unterschrieben und schließlich an die Stadtbuchhaltung übermittelt.
Die Kassiererin habe über 300.000 Euro des eingenommenen Bargeldes nicht auf das Stadtkonto eingezahlt. Nach einigen Jahren habe der Verdacht bestanden, eine Kassiererin habe Eintrittsgelder nicht ordnungsgemäß auf das Konto der Stadt eingezahlt, sondern veruntreut. Dies habe auch der Angeklagte vermutet. Fast vier Jahre später habe sich seine Vermutung auf die Person der Mitangeklagten und einen Betrag von etwa 48.000 Euro konkretisiert. Der Angeklagte habe es ungeachtet dieses Verdachts unterlassen, Meldung an seinen Vorgesetzten und die in den Dienstanordnungen genannten Dienststellen zu erstatten. Er habe gewusst, dass er dadurch seine Befugnis, als Beamter der Stadt in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, missbrauchte. Er habe es bei seiner ersten Vermutung und vier Jahre später in seinen Vorsatz aufgenommen, durch diesen Befugnismissbrauch die Stadt am Recht des Gemeinderates auf ordentliche Gebarung und ordnungsgemäße Prüfung des Rechnungsabschlusses zu schädigen. Anfangs sei sein Vorsatz überdies darauf gerichtet gewesen, dadurch in letzter Konsequenz auch den Bund an seinem Recht auf Strafverfolgung zu schädigen. Einen dahingehenden Schädigungsvorsatz verneinten die Tatrichter jedoch im Zusammenhang mit dem betreffenden Vorwurf vier Jahre später, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte davon ausgegangen sei, eine allfällige Strafbarkeit der Kassiererin sei durch die Vereinbarung schadensbereinigender Maßnahmen bereits aufgehoben. Einen auf Schädigung der Stadt oder des Bundes an deren Vermögen gerichteten Vorsatz des Angeklagten verneinte das Erstgericht übrigens, weshalb es diesen Angeklagten vom Vorwurf der Veruntreuung als Beitragstäter durch Unterlassen effektiver Kontrollen freisprach.
Aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde hat der Oberste Gerichtshof dazu erwogen:
Der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt setzt Fehlgebrauch der Befugnis „in Vollziehung der Gesetze“, also im Rahmen der Hoheitsverwaltung, voraus. Die Einordnung von Verwaltungshandeln als Akt der Hoheitsverwaltung erfolgt primär danach, ob der Staat zur Erreichung seiner Ziele die ihm auf Grund seiner spezifischen Macht gegebene einseitige Anordnungsbefugnis gebraucht, demnach als Träger dieser besonderen Befehls- und Zwangsgewalt auftritt. Hoheitliches Verwaltungshandeln kommt insbesondere im Einsatz bestimmter Rechtsformen zum Ausdruck. Darüber hinaus ist auch Verwaltungshandeln, das selbst nicht normativer Art ist, sondern entweder in tatsächlichen Verrichtungen oder auch Privaten zur Verfügung stehenden Rechtsformen in Erscheinung tritt, hoheitlicher Natur, wenn es im Zusammenhang mit Hoheitsakten steht, diese also vorbereitet, begleitet oder umsetzt, Hoheitsverwaltung.
Hoheitliches und damit im Sinn des § 302 Abs 1 StGB tatbildliches Handeln hat der Oberste Gerichtshof nach diesem Ansatz wiederholt auch bei Buchungsvorgängen im Rahmen der Kassen- und Buchführung einer Gemeinde bejaht, dabei aber zwischen dem wirtschaftlichen Vorgang und dessen Darstellung in der Buchhaltung unterschieden.
Der konkrete Betrieb ist der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für in diesem Zusammenhang gesetzte Kontrollmaßnahmen durch Dienstvorgesetzte. Dennoch legten die Tatrichter dem Angeklagten Missbrauch seiner Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften „in Vollziehung der Gesetze“ zur Last, weil ihm im Tatzeitraum – gemäß den „haushaltsrechtlichen Festlegungen zum Voranschlag“ – „im Zusammenhang mit dem Belegwesen und der Erstellung des Rechnungsabschlusses insofern eine Funktion“ zugekommen sei, als er berechtigt und verpflichtet gewesen sei, „Auszahlungen und Annahmen durch die Unterfertigung von Auszahlungs- und Annahmeanordnungen anzuordnen“. Nach den Feststellungen bestätigte der Angeklagte mit Unterfertigung der von der Stadtbuchhaltung bereits vorbereiteten Annahmeanordnungen der Sache nach jedoch lediglich, dass es sich bei den von Kassiererinnen eingezahlten Beträgen um Einnahmen aus dem Betrieb handelte. Eine Anordnungskompetenz im Hinblick auf die (hoheitliche) Verbuchung der Vorgänge ergibt sich daraus nicht. Vielmehr lässt das konstatierte Anweisungsrecht des Beschwerdeführers erkennen, dass ihm zufolge des im Gemeinderecht verankerten Grundsatzes der Trennung von Anweisungsbefugnis und Zahlungsvollzug eine Kompetenz im Rahmen der Kassen- und Buchführung gerade nicht zukam.
Der Angeklagte hatte daher zusammengefasst – nicht anders als etwa die Mitangeklagte – bloß für die ordnungsgemäße Abwicklung der (privat-)wirtschaftlichen Vorgänge, nicht für deren buchhalterische Darstellung, zu sorgen. Eine Befugnis, Amtsgeschäfte im Rahmen der Hoheitsverwaltung vorzunehmen, kam ihm somit im hier relevanten Zusammenhang nicht zu.
Damit scheidet auch tatbildlicher Befugnisfehlgebrauch des Beschwerdeführers durch das angelastete Unterbleiben einer Meldung an Vorgesetzte im Hinblick auf eine behördliche Anzeigepflicht wegen der von ihm vermuteten Straftaten aus. Nach § 78 StPO ist eine Behörde oder öffentliche Dienststelle zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltshaft verpflichtet, wenn ihr der Verdacht einer Straftat bekannt wird, die „ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft“. Mit dieser Formulierung sollte die Pflicht die Adressaten „nur im Rahmen der jeweiligen hoheitlichen Befugnisse“ treffen.
Dass der Angeklagte vier Jahre zuvor, aus anderen Gründen als vom Erstgericht (zu Unrecht) vermuteter Aufgabenerfüllung im Rahmen der Gemeindebuchhaltung, der Verdacht einer Straftat im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit bekannt geworden sei, hat das Erstgericht nicht festgestellt.
Soweit das Gesetz und im Urteil erwähnte (bloß im Innenverhältnis wirksame) Dienstanweisungen eine weitergehende Meldepflicht von Beamten (Abteilungsleitern) an den Vorgesetzten oder bestimmte Dienststellen (bei Wahrnehmung von „Unregelmäßigkeiten“ auch außerhalb der Hoheitsverwaltung) vorsehen, ist dies unter dem Aspekt von Strafbarkeit nach § 302 Abs 1 StGB ohne Bedeutung, weil diese bloß interne Meldepflicht insoweit keinen Bezug zu einer der Behörde (oder öffentlichen Dienststelle) zukommenden Befugnis zu hoheitlichem Handeln (im Außenverhältnis) aufweist.
Der aufgezeigte Rechtsfehler erforderte die Aufhebung des Schuldspruchs, demgemäß auch des Strafausspruchs hinsichtlich des Angeklagten.
Da nach der Aktenlage Feststellungen, die einen Schuldspruch in Ansehung des hier gegenständlichen Sachverhalts (auch wegen einer anderen strafbaren Handlung) tragen könnten, in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs mit Freispruch in der Sache selbst zu entscheiden.