Das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, das mit 01.01.2016 in Kraft tritt brachte einige Neuerungen im Strafrecht. Unter anderem wurde der Tatbestand der Verhetzung, § 283 StGB, umfassend erweitert, was insbesondere für Facebook-Poster sehr problematisch werden kann. Gerade die Diskussionen zur aktuellen Flüchtlingskrise und darüber stattfindenden Debatten dürften für die Verschärfung mitverantwortlich gewesen sein.
Unter dem Stichwort „Hasspostings“ wurde bereits viel über die Thematik diskutiert. Die praktische Umsetzung dürfte damit jedoch nicht verändert werden, da der Begriff „Hass“ mit dem bisherigen Begriff „Hetze“ gleichgesetzt sein soll und bereits die bisherige oberstgerichtliche Rechtsprechung beide Begriffe verwendet und „Hetze“ mit „Hass“ umschrieben hat – Näheres dazu unten.
Der ab 01.01.2016 geltende Tatbestand lautet:
Wer öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird,
zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den vorhandenen oder fehlenden Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer körperlichen oder geistigen Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder zu Hass gegen sie aufstachelt,
in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen, eine der im vorigen Absatz bezeichneten Gruppen in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, oder
Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen Personen, Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte, Kriegsverbrechen gegen internationale Missionen und Missbrauch von Schutz- und Nationalitätszeichen, Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung, Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung sowie Verbrechen der Aggression, die von einem inländischen oder einem internationalen Gericht rechtskräftig festgestellt wurden, billigt, leugnet, gröblich verharmlost oder rechtfertigt, wobei die Handlung gegen eine der in oben bezeichneten Gruppen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe gerichtet ist und in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe aufzustacheln, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Wer die Tat in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die oben bezeichneten Handlungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Wer durch eine Tat wie oben beschrieben bewirkt, dass andere Personen gegen eine oben bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Gewalt ausüben, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
Wer, wenn er nicht als an einer Handlung wie oben beschrieben Beteiligter mit strengerer Strafe bedroht ist, schriftliches Material, Bilder oder andere Darstellungen von Ideen oder Theorien, die Hass oder Gewalt gegen eine oben bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe befürworten, fördern oder dazu aufstacheln, in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, wodurch diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, in gutheißender oder rechtfertigender Weise verbreitet oder anderweitig öffentlich verfügbar macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
Was ist die Ursache der Änderungen:
Durch die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des § 283 StGB sollen u.a. Verpflichtungen aus dem Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. Nr. L. 328 vom 06.12.2008 S. 55, und Vorgaben des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, CETS Nr. 189, das von Österreich am 30. Jänner 2003 unterzeichnet und bislang noch nicht ratifiziert wurde sowie – dies sowohl im Bereich des § 283 StGB als auch des § 278 Abs 2 StGB – Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und Empfehlungen des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) umgesetzt werden. Das Regierungsprogramm sieht in diesem Zusammenhang eine verbesserte Erfassung der Phänomenologie des (Rechts-)Radikalismus“ vor (S 85).
Der Vorschlag soll aber insbesondere auch die Ergebnisse des am 14. Oktober 2014 abgehaltenen „Gipfels gegen Hass und Hetze“ reflektieren.
Der Begriff „Hass“ und wie er das Gesetz verändert:
1. Bereits bei den Erschwerungsgründen, die also das Ausschöpfen einer höheren Strafe rechtfertigen sollen, kommt es durch den Bezug auf „Hass“ zu einer Verschärfung:
Durch die vorgeschlagene Änderung soll ausdrücklich klargestellt werden, dass nicht bloß rassistische und fremdenfeindliche, sondern auch andere Beweggründe, die sich gegen eine der in § 283 Abs 1 Z 1 StGB genannten Gruppen von Personen oder ein Mitglied einer solcher Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe richten, als besonders verwerfliche Beweggründe im Sinne der Z 5 gelten. Damit soll dem gesteigerten Handlungsunwert im Bereich der Hassverbrechen (hate crimes), also strafbarer Handlungen, die aus einem bestimmten diskriminierenden Motiv heraus begangen werden, Rechnung getragen werden.
2. Die Formulierung „Aufstacheln zu Hass“ entspricht internationalen Vorgaben („incitement to hatred“) besser, als die bislang in § 283 Abs 2 StGB normierte Tathandlung des „Hetzens“. Inhaltlich soll dadurch aber keine Änderung herbeigeführt werden. Schon die Rechtsprechung zu § 283 Abs 2 StGB definierte „hetzen“ als „eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zum Hass und zur Verachtung“ (vgl OGH vom 28. Jänner 1998, 15 Os 203/98).
Derzeit ist das Ziel von Tathandlungen im Sinne des § 283 StGB Abs 2 StGB die Gruppe in ihrer Gesamtheit, wobei Angriffsobjekt auch ein einzelner Angehöriger der Gruppe sein kann, sofern er nicht allein in seinen Individualität, sondern als Repräsentant der Gruppe (und damit diese selbst) getroffen werden soll. Durch Überführung der Wortfolge „zu Hass gegen sie aufstachelt“ in Z 1 wird das Aufstacheln zu Hass nunmehr sowohl gegen geschützte Gruppen im Sinne der Z 1, als auch gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe strafbar.
Zu den Tathandlungen des Abs. 1 Z 3: Dieser gänzlich neue Tatbestand soll in Umsetzung internationaler Vorgaben in das StGB übernommen werden. Während im Bereich des Art. 1(1)(d) des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. Nr. L. 328 vom 6. Dezember 2008 S. 55, mit § 3h VerbotsG ein Straftatbestand existiert, fehlt ein solcher im Bereich des Art. 1(1)(c) des Rahmenbeschlusses, der die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, das gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe gerichtet ist, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definiert werden, wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt, unter Strafe zu stellen. Die Europäische Kommission hat in ihrem Bericht vom 27. Jänner 2014 über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI festgehalten, dass es in Österreich derzeit keine strafrechtliche Bestimmung für entsprechende Handlungen gibt. Eine vergleichbare Verpflichtung enthält auch Art. 6(1) des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, CETS Nr. 189. Darüber hinaus empfehlen Punkt 18(h) der Allgemeinen Politischen Empfehlung Nr. 7 von ECRI vom 13. Dezember 2002, CRI(2003)8 und Pkt. 14 der Allgemeinen Empfehlung Nr. 35 von CERD vom 26. September 2013, CERD/C/GC/35 die Schaffung eines entsprechenden Straftatbestands.
Zu Abs 4: Auch der in Abs. 4 neu vorgeschlagene Straftatbestand gründet auf internationalen Vorgaben, konkret Art. 3(1) des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, CETS Nr. 189 sowie Pkt. 18(f) der Allgemeinen Politischen Empfehlung Nr. 7 von ECRI vom 13. Dezember 2002, CRI(2003)8. Der Entwurf nimmt hier unter Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung sowie dem Ultima-Ratio-Gedanken des Strafrechts davon Abstand, auch die im erwähnten Zusatzprotokoll vorgesehene, aber vorbehaltbare Verbreitung „bloß“ diskriminierenden Materials zu kriminalisieren, und verlangt im Übrigen Absichtlichkeit, dh dass die Tat zwar nicht Teil eines aktuellen Verhetzungsgeschehens sein muss (in welchem Fall bedingter Vorsatz genügen würde), dass es dem Täter aber doch gerade darauf ankommen soll, diskriminierende Gewalt- und/oder Hasspropaganda zu verbreiten. Durch die Wortfolge „in gutheißender oder rechtfertigender Weise“ bei gleichzeitigem Entfall des Kriteriums der Absichtlichkeit soll – Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren folgend – schon auf Tatbestandsebene klargestellt werden, dass eine Verbreitung des hetzerischen Materials mit kritischer Intention nicht von Abs 4 erfasst ist.
Zum Begriff Menschenwürde:
Die Menschenwürde wird verletzt, wenn durch die Tathandlung den Angehörigen der angegriffenen Gruppe unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihnen etwa das Lebensrecht als gleichwertige Bürger bestritten wird oder sie als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt werde.
Jedenfalls wird, wie immer zu raten ist, in jedem Verfahren, so früh wie möglich, die Beiziehung eines Rechtsanwaltes der auf Strafrecht spezialisiert ist oder eines Verteidigers in Strafsachen, ratsam sein, bevor noch zur Sache ausgesagt wird.