Der Angeklagte wurde des Vergehens der Veruntreuung „unter Ausnützung der Amtsstellung nach §§ 133 Abs 1 und 2 erster Fall, 313 StGB“ und des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er
1. ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, nämlich Parteiengelder, insbesondere im Pass-, Führerschein- und Fremdenpolizeiwesen, sowie Strafgelder, in oftmals wiederholten Angriffen sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er diese für sich vereinnahmte, und zwar
a) in zumindest drei Angriffen insgesamt knapp 1.000 Euro;
b) in zumindest acht Angriffen insgesamt etwas über 10.000 Euro;
c) in zumindest 29 Angriffen insgesamt knapp über 23.000 Euro;
d) in 26 Angriffen insgesamt fast 20.000 Euro;
e) in 55 Angriffen insgesamt knapp 30.000 Euro;
f) in sieben Angriffen cirka 5.600 Euro;
g) in 15 Angriffen insgesamt ein wenig über 12.000 Euro; wobei er ein Gut mit einem 5.000 Euro übersteigenden, nämlich knapp über 100.000 Euro betragenden Werts veruntreute und die auch sonst mit Strafe bedrohte vorsätzliche Handlung als Beamter unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit beging;
2. als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf Überprüfung der Gebarung der Bundespolizeidirektion bzw des Stadtpolizeikommandos zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich buchhalterische Erfassung von Partei- und Strafgeldzahlungen vorzunehmen, in oftmals wiederholten Angriffen wissentlich missbraucht, indem er im Zusammenhang mit den zu Punkt 1. genannten Taten zu deren Verschleierung zu den jeweiligen Einzahlungsbuchungssätzen korrespondierende fingierte Auszahlungsbuchungssätze erfasste, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte.“
Für Fälle wie diese ist jedenfalls die Verteidigung durch einen Anwalt, der auf Strafrecht spezialisiert ist, anzuraten. Siehe dazu schon hier:
https://www.rechtsanwalt-strobl.at/fachgebiete/strafrecht/ und https://www.rechtsanwalt-strobl.at/fachgebiete/strafrecht/wann-ist-es-sinnvoll-einen-rechtsanwalt-fuer-strafrecht-oder-verteidiger-in-strafsachen-beizuziehen/
Ein Rechtsanwalt, der auf Strafrecht spezialisiert ist oder Verteidiger in Strafsachen, manchmal auch Strafverteidiger genannt, kennt die örtlichen Gepflogenheiten eines Gerichtes und besitzt die Erfahrung Sachverhalte nach deren Glaubhaftigkeit bzw Beweisbarkeit einschätzen zu können. Zu diesem Thema zuletzt auch hier: https://www.rechtsanwalt-strobl.at/rechts-blog/2019/kaution-oder-sicherheitsleistung-im-strafrecht-anwalt-strafverteidiger/ und https://www.rechtsanwalt-strobl.at/rechts-blog/2019/therapie-statt-strafe-in-der-brd-nach-verurteilung-in-oesterreich-%d0%b0%d0%b4%d0%b2%d0%be%d0%ba%d0%b0%d1%82%d1%81%d0%ba%d0%be%d0%b9-anwalt/ wenn auch heir zu anderen Themen – jedoch auch im Strafrecht.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes (OGH) war diese erstgerichtliche Entscheidung mangelhaft, da dem Urteil Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten anhafteten.
Objekt des Vergehens der Veruntreuung ist ein dem Täter anvertrautes Gut. Körperliche Sachen (wie Bargeld) sind einem anderen dann anvertraut, wenn sie ihm in den Alleingewahrsam übergeben werden, damit er sie verwahrt, zurückgibt, an jemanden weitergibt oder für jemanden verwendet. Eine derartige Verpflichtung des Angeklagten, in bestimmter Weise mit den hier gegenständlichen Bargeldbeträgen zu verfahren, hat das Erstgericht in objektiver Hinsicht nicht festgestellt. Die Konstatierungen beschränken sich insoweit auf die Erwähnung der (nicht näher spezifizierten) Funktion des Angeklagten als Rechnungsführer in der „Amtskasse des Stadtpolizeikommandos“ sowie auf die allgemeine Beschreibung der Funktionsweise des dort im Tatzeitraum verwendeten (elektronischen) Buchführungsprogramms. Zu Anzahl und Begehungszeiten der inkriminierten Taten verweisen die Entscheidungsgründe bloß auf das Referat der entscheidenden Tatsachen. In subjektiver Hinsicht konstatierten die Tatrichter, der Angeklagte habe Anfang 2007 den Entschluss gefasst, sich „durch Zueignung von Amts- und Parteigeldern unrechtmäßig zu bereichern“. Er habe sich ein „Gut“, welches „ihm anvertraut war“, zueignen wollen. Um welche Art von „Amts- und Parteiengeldern“ es sich handelte und wie der Angeklagte mit diesen hätte verfahren sollen, blieb allerdings ungeklärt, sodass das Urteil keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Annahme eines Anvertrautseins im Sinn des § 133 StGB enthält.
Zum Schuldspruch 2. stellten die Tatrichter bloß fest, der Angeklagte habe bei den wissentlichen Falschbuchungen mit dem Vorsatz gehandelt, „die Republik Österreich dadurch an ihren“ (nicht näher spezifizierten) „Rechten zu schädigen und einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeizuführen“. Im Rahmen der rechtlichen Erwägungen führt das Erstgericht noch aus, ein „bei der Einhebung von Parteiengeldern und Strafgeldern mit der Buchhaltung und Kassenverwaltung betrauter Beamter“ sei „in (schlichter) Hoheitsverwaltung tätig“ und schädige „den jeweiligen Rechtsträger am Recht auf Überprüfung der Gebarung“, wenn „er Tagesabschlüsse und Jahresrechnungsabschlüsse verfälscht“.
Ein – soweit nach den Entscheidungsgründen überhaupt hinreichend deutlich erkennbares – Recht des Staates, die Einhaltung von Vorschriften (hier bei der „Einhebung von Parteiengeldern und Strafgeldern“) durch Beamte zu beaufsichtigen und zu kontrollieren, reicht jedoch nach ständiger Rechtsprechung als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes nicht aus. Davon zu unterscheiden ist, das durch den Gemeinderat als gewählten allgemeinen Vertretungskörper ausgeübte Recht (der Gemeinde) auf Kontrolle von (sonstigen) Gemeindeorganen, welches die Rechtsprechung (in bestimmten Konstellationen im Zusammenhang mit Missbräuchen im Rahmen der Gemeindebuchhaltung) als im Sinn des § 302 Abs 1 StGB ausreichend anerkannte. Dieses Recht ist Ausfluss demokratischer Kontrolle vollziehender Organe auf der Ebene der Gemeindeselbstverwaltung (also mediatisierte Partizipation der Gemeindebürger) und unterscheidet sich in diesem Aspekt von sonstigen – durch in der Verwaltungshierarchie Vorgesetzte oder Aufsichtsbehörden ausgeübten – staatlichen Kontroll- und Aufsichtsrechten.
Wie durch die verschleiernde Darstellung der zu Punkt 1. inkriminierten Zueignung von „Amts- und Parteiengeldern“ in der Buchhaltung ein (50.000 Euro übersteigender) Vermögensschaden des Staates herbeigeführt worden sein soll, bleibt unerfindlich, sodass ein darauf bezogener Vorsatz des Angeklagten nicht in Betracht kommt. Andere Rechte werden nicht genannt.
Diese Fehler führen zur Aufhebung des gesamten Urteils samt Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bei der nichtöffentlichen Beratung.
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:
Im Zusammenhang mit dem zum Schuldspruch 1. als Veruntreuung angelasteten Verhalten wäre zu prüfen, ob der Angeklagte bei der Einhebung von „Parteiengeldern und Strafgeldern“ im Rahmen einer Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften in Vollziehung der Gesetze handelte und er eine (durch Gesetz, Verordnung oder Weisung normierte) Pflicht zum Abführen dieser Beträge traf. In diesem Fall wäre nach mittlerweile einheitlicher Rechtsprechung unterlassenes Abführen solcher (gesetzeskonform) eingehobener Gebühren und Verwaltungsstrafen Befugnisfehlgebrauch im Sinn des § 302 Abs 1 StGB, weil das Verhalten des Beamten bis zum Erreichen des Vollziehungsziels (der Vereinnahmung dieser Beträge durch den Staat) einheitlich als (ein) Amtsgeschäft zu begreifen ist. Davon ist solange auszugehen, als der Beamte die eingehobenen Beträge noch in seiner Verfügungsmacht, also nicht abgeführt hat. Die Rechtsansicht, ein mit dem (auch vom Erstgericht verwendeten) Schlagwort „Griff in die Kasse“ umschriebenes Verhalten eines Beamten sei stets (nur) Veruntreuung, nicht Missbrauch der Amtsgewalt, bedarf also einer Präzisierung. Die Subsumtion hängt vom Bestehen eines Zusammenhangs mit einem Amtsgeschäft im zuvor genannten Sinn ab, ohne dass es auf die Art der den Beamten in diesem Zusammenhang treffenden Handlungspflicht („Verwahren“ oder „Verwalten“) ankommt. Das Argument, eine (im Rahmen der Hoheitsverwaltung bestehende) Befugnis des Beamten zur Zueignung derartiger Beträge sei auszuschließen, übersieht, dass der Befugnisfehlgebrauch nicht in der Zueignung, sondern in der Verletzung spezifischer Handlungspflichten (etwa in der Abführung der Beträge) besteht und zerlegt das einheitliche Amtsgeschäft unsachgemäß in Einzelphasen.
Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wird zu beachten sein, dass die von diesem erfassten Taten, wenn sie – wie hier – nicht bloß pauschal individualisiert zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefasst werden, so präzise zu bezeichnen sind, dass eine eindeutige Beurteilung möglich ist, welches historische Geschehen Gegenstand des Schuldspruchs ist. Zwar ist es zulässig, Feststellungen durch hinreichend deutlichen Verweis auf den Inhalt einer anderen Urkunde oder auf das Referat der entscheidenden Tatsachen zu treffen. Begnügt sich dieses jedoch – wie hier – damit, Einzeltaten nach Zeiträumen unter Bildung von Globalschadensbeträgen zusammenzufassen und im Übrigen bloß auf Nummern von „Fakten“ ohne Klarstellung im Urteil, welche Faktenaufstellung gemeint ist, zu verweisen, wird dem Präzisierungserfordernis nicht entsprochen.
Aus dem vorgenannten erhellt einmal mehr, dass die Vertretung durch einen Anwalt der auf Strafrecht spezialisiert ist, unbedingt notwendig ist um die Durchsetzung der Rechte eines Beschuldigten oder Angeklagten zu optimieren. Ein Rechtsanwalt oder Strafverteidiger ist auch in der Lage nach einem Urteil, mit dem er nicht einverstanden ist, das notwendige Rechtsmittel zu ergreifen – insb wenn er auf Strafrecht bzw Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert ist.