Wer jemanden tötet, dem drohen entweder zehn bis zwanzig Jahre oder lebenslange Haft oder im Fall des Totschlages bloß fünf bis zehn Jahre.
Wo liegt der Unterschied:
Für den Totschlag bedarf es einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung. Diese rechtfertigt als sogenannte Privilegierung eine niedrigere Strafdrohung.
Was können in der Praxis solche Fälle sein, die als allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zu dieser Privilegierung führen?
Eine Angeklagte hatte, nachdem ihr durch ihren Chef eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde, und ihr gesagt hatte, sie solle sich um eine Arbeit umsehen und bekomme von ihm kein Geld mehr, dazu hinreißen lassen, ihn zu töten, indem sie aus einem Revolver Marke „North American corp.“, Kal. 22 l.r., Nr. 96016, aus einer Entfernung von etwa 1,5 m gegen ihn vier Schüsse abfeuerte.
Die Geschwornen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach Mord (mit 5 : 3 Stimmen) verneint, die Eventualfrage nach Totschlag hingegen (mit demselben Stimmenverhältnis) bejaht; die Zusatzfrage wegen Tatbegehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit wurde (stimmeneinhellig) verneint.
Die Staatsanwaltschaft erhob dagegen ein Rechtsmittel weil in der Hauptverhandlung keine Tatsachen vorgebracht worden seien, bei deren Annahme das der Angeklagten zur Last fallende Tatverhalten den Tatbestand des Totschlages erfülle. Zum einen habe die Angeklagte nach ihrer eigenen Verantwortung den Tötungsvorsatz bereits zwei Tage vor der Tat gefasst, tatplangemäß die Waffe gekauft und eine günstige Gelegenheit für die Ausführung ihres Vorhabens abgewartet, sodass die heftige Gemütsbewegung, in der sie sich im Tatzeitpunkt befunden habe, für die Tatausführung nicht entscheidend gewesen sei; zum anderen mangle es an der allgemeinen Begreiflichkeit einer Gemütsbewegung, deren Ursache im Charakter und in der psychisch abnormen Persönlichkeit der Angeklagten zu suchen sei.
Der Oberste Gerichtshof führte zur Frage wann eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung vorliege aus:
Die Beurteilung einer vorsätzlichen Tötung als Totschlag verlangt primär Spontaneität des Tötungsvorsatzes, die einem schon vor dem Affektausbruch gefassten und auch in den wesentlichen Ausführungsmodalitäten hinreichend konkretisierten Tötungsentschluss fehlt. Hingegen kann eine Privilegierung nach dem § 76 StGB dann in Betracht kommen, wenn der im Affekt handelnde Täter zwar vor dem Affektausbruch mit dem Gedanken an die Tat gespielt hatte, zu ihr also schon früher innerlich bereit, aber noch nicht fest entschlossen war und sich erst in der durch das spätere Verhalten des Opfers ausgelösten heftigen Gemütsbewegung zur Tatausführung hinreißen ließ.
Zur Strafhöhe von neun Jahren wurde ausgeführt:
Aus dem Umstand, dass keiner der Erschwerungsumstände vorliegt, folgt noch nicht, dass die gesetzliche Mindeststrafe auszusprechen ist. Vielmehr ist der Argumentation der Staatsanwaltschaft beizupflichten, dass auch dann, wenn man – wie dargelegt – der Angeklagten trotz der Tatvorbereitungen konzedierte, sie habe sich letztlich erst spontan durch das Verhalten des Opfers in heftiger Gemütsbewegung zur Tat hinreißen lassen, in der vorsorglichen Schaffung der faktischen Voraussetzungen für die Tötung nach reiflicher Überlegung (Besorgen der Waffe und Einweisung in deren Gebrauch) und in der Tatausführung in einer Form, gegen die das Opfer keine Vorsicht gebrauchen konnte, Momente zu sehen sind, die bei der Beurteilung der Schuld besonders schwer wiegen.
Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass die vorliegenden Milderungsgründe den Umständen nach wohl die Verhängung der Höchststrafe ausschließen, die Schuld der Täterin (im Rahmen des privilegierten Strafrahmens) aber nach Lage des Falles so hoch angesetzt werden muss, dass nur eine Strafe im oberen Bereich des gesetzlichen Sanktionsrahmens angemessen ist.