Ein in Österreich lebender Unterhaltspflichtige durfte mangels Nostrifikation seines im Ausland absolvierten Medizinstudiums in Österreich nicht als Arzt arbeiten.
Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Thema, was können oder müssen Unterhaltspflichtige tatsächlich an Unterhalt leisten, folgendes erwogen:
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Unterhaltspflichtige alle Kräfte anzuspannen hat, um seiner Verpflichtung zur angemessenen Unterhaltsleistung nachkommen zu können; er muss alle seine persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einsetzen und seine Leistungskraft unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines Könnens ausschöpfen. Zu den ihn treffenden Verhaltenspflichten gehört, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um ein der Sachlage angemessenes Einkommen zu erzielen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit erzielen könnte. Die „Anspannungstheorie“ greift aber nicht nur bei Arbeitsunwilligkeit, sondern auch dann Platz, wenn dem Unterhaltspflichtigen die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann. Je umfangreicher die Sorgepflichten sind, desto strengere Anforderungen sind dabei an die Anspannung des Unterhaltspflichtigen zu stellen.
Eine Anspannung auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf aber nur erfolgen, wenn eine zumindest leicht fahrlässige Herbeiführung des Einkommensmangels durch Außerachtlassung pflichtgemäßer, zumutbarer Einkommensbemühungen vorliegt. Der Anspannungsgrundsatz dient somit als eine Art Missbrauchsvorbehalt, wenn schuldhaft die zumutbare Erzielung von Einkünften versäumt wird, sodass der angemessene Unterhalt des Berechtigten nicht mehr gesichert ist.
Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung im konkreten Fall gegeben sind oder nicht, richtet sich nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Die in diesem Zusammenhang zu beantwortenden Rechtsfragen sind regelmäßig nicht von der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität. Auch die Frage, ob den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt, ist in der Regel keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG.
Für eine etwaige Anspannung ist die potentielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen maßgeblich, wobei von seinen konkreten Lebensverhältnissen auszugehen ist, mit denen das erzielbare Einkommen in Einklang stehen muss. Dieses Einkommen ist an einer den subjektiven Fähigkeiten und der objektiven Arbeitsmarktlage entsprechenden (zumutbaren) Erwerbstätigkeit zu messen. Subjektive Fähigkeiten und Zumutbarkeit werden im Wesentlichen durch Alter, berufliche Ausbildung, körperliche und geistige Verfassung sowie familiäre Belastung bestimmt. Maßstab ist stets das Verhalten eines pflichtgemäßen rechtschaffenen Familienvaters.
Nur wenn ein Unterhaltspflichtiger eine durch triftige Gründe (etwa Krankheit, Alter, Haft, Arbeitgeberkündigung, besondere berücksichtigungswürdige familiäre oder wirtschaftliche Gründe) verminderte Leistungsfähigkeit nachweist, kann ihm wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit kein potentielles Einkommen unterstellt werden. Im Übrigen gehört zur Obliegenheit, sich dauernd und intensiv um einen Arbeitsplatz zu bemühen, auch die Pflicht, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben, um sich auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können. Eine Anspannung setzt voraus, dass der Unterhaltspflichtige eine legale Beschäftigung aufnehmen und ausüben kann. Eine Anspannung auf ein Einkommen aus illegaler Beschäftigung (etwa mangels Möglichkeit des Erhalts einer Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung) kommt nicht in Betracht.
Wenn der Revisionsrekurswerber letztlich für sich die Rechtsprechung ins Treffen führen will, nach der die Anspannungsbeurteilung immer die realen Erwerbschancen auszuloten hat und sich nicht in unbegründeten Fiktionen erschöpfen darf, übersieht er, dass die Beurteilung, bei entsprechenden Bemühungen um die Nostrifikation des Studiums könnte er einen Arbeitsplatz als Spitalsarzt mit einem monatlichen Einkommen von 2.400 Euro erlangen, keine bloße Fiktion darstellt, sondern eine auf Grundlage eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens festgestellte konkrete Erwerbsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt.