Der Angeklagten wurde vorgeworfen, in einem Lebensmittelmarkt Waren im Wert von knapp 75 Euro nicht bezahlt zu haben.
Dadurch habe sie das Vergehen des versuchten Diebstahls begangen.
Da die Beschuldigte nicht geständig war, hatte die Staatsanwaltschaft einen Strafantrag eingebracht.
Man hätte auch daran denken können, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Das Gesetz sagt dazu:
„Von der Verfolgung einer Straftat, die nur mit Geldstrafe, mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Höchstmaß drei Jahre nicht übersteigt, oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe hat die Staatsanwaltschaft abzusehen und das Ermittlungsverfahren einzustellen, wenn
1. in Abwägung der Schuld, der Folgen der Tat und des Verhaltens des Beschuldigten nach der Tat, insbesondere im Hinblick auf eine allfällige Schadensgutmachung, sowie weiterer Umstände, die auf die Strafbemessung Einfluss hätten, der Störwert der Tat als gering anzusehen wäre und
2. eine Bestrafung oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken.“.
Die Schwierigkeiten in der Anwendung dieser Bestimmung liegen in einer Vielzahl an Parametern, die geprüft werden müssten – eine Anklageerhebung ist oft einfacher.
Zum Beispiel ergibt sich der geringe Störwert der Straftat aus einer Abwägung von Schuld und Folgen sowie von sonstigen Strafbemessungsumständen, welche bei dieser vorgeworfenen Tat zu berücksichtigen wären.
Der geringe Störwert der Tat entspricht einer umfassenden, also auch das Erfolgsunrecht und die Strafzumessungskriterien miteinschließenden Schuldbewertung. Dabei wird im Gesetz die besondere, eine Schuldminderung bewirkende Funktion eines Folgenausgleichs hervorgehoben.
Bei der geringen Schuld ist das „Unrecht“ im Sinne von Handlungs- und Erfolgsunrecht und der Gesinnungsunwert zu berücksichtigen.
Oft kommt beim Erfolgsunwert in Betracht, einen solchen niedrigen Erfolgsunwert bei Werten unter 100 Euro anzunehmen.
Das wäre auch im gegenständlichen Fall möglich gewesen.
Jedoch gibt es seit Jahren eine ausgeprägte Veranlassung bei den Staatsanwaltschaften bei Diebstählen in Kaufhäusern oder Supermärkten aus generalpräventiven Gründen eine Diversion abzulehnen. Wenn schon eine Diversion nicht möglich sein soll, dann umso weniger eine Einstellung wegen Geringfügigkeit.
Auch die „Entwendung“ kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht in Betracht.
Die Frage war ja ohnehin, ob nicht überhaupt ein Freispruch anzustreben gewesen wäre, wenn es sich bloß um ein versehen beim Bezahlen gehandelt hätte, wie die Angeklagte nicht ganz unschlüssig behauptet hatte.
Letztlich wurde ihr geraten, die „Verantwortung“ für ihr Verhalten zu übernehmen, da ihre Version nicht zur Gänze zu beweisen gewesen wäre.
Für eine Diversion bestand der Richter jedoch auf einem Geständnis und meinte „Verantwortungsübernahme“ gäbe es bloß bei Politikern. Diese Rechtsansicht ist falsch.
Die Angeklagte sah sich daher veranlasst, um die Diversion doch noch zu bekommen, ein Geständnis abzulegen.
Die Angeklagte erhielt letztlich eine Diversion mittels Geldbuße für die sie 2.500 Euro bezahlen musste.